Leseprobe 1 aus John Updike: TERRORIST

Auszug 1 aus John Updikes neuestem, hervorragenden Roman “Terrorist”

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In der Flaute am Ende des Schultages, wenn der auftrumpfende, höhnische Rummel des Aufbruchs sich gelegt hat nur noch die Schüler, die an Arbeitskreisen teilnehmen, in dem großen Gebäude zurückbleiben, macht sich Joryleen Grant manchmal an Ahmed heran, wenn er in seinen Spind kramt.

Er treibt im Frühjahr Leichtathletik; sie singt im Mädchenchor. Nach den Maßstäben von Central High sind sie beide brave Schüler.

Ihn hält seine Religion von Laster und Drogen fern, allerdings auch auf Distanz zu seinen Klassenkameraden und zu den Fächern des Lehrplans. Joryleen ist klein und rundlich, sie weiß sich im Unterricht gut auszudrücken, was dem Lehrer gefällt.

[…]

Sie singt bei Schulanlässen, immer Lieder, in denen es um Jesus oder um sexuelles Verlangen geht, beides Themen, die Ahmed zuwider sind. Dennoch freut es ihn, dass sie von ihm Notiz nimmt und ihn ab und zu umspielt wie eine Zunge einen empfindlichen Zahn.

[…]

“O doch”, sagt sie, “jeder will gemocht werden”.

“Du bestimmt”, sagt er höhnisch von seiner jüngst erlangten Höhe herab.

Wie große Blasen wölben sich ihre Brüste in den runden Ausschnitt ihres unanständigen Oberteils, das an seinem unteren Saum das Fett auf ihrem Bauch und den Umriss ihres tief liegende Nabels entblößt.

Ahmed stellt sich vor, wie ihr glatter brauner Körper, dunkler als Kamell, jedoch heller als Schokolade, in jener Feuerhölle schmort und sich mit Brandblasen überzieht.

— Schlesinger

“Selten zuvor hat John Updike einen so spannenden Roman geschrieben, der ganz und gar aus einer uns vollkommen unverständlich erscheinenden Perspektive erzählt.” (Frankfurter Rundschau)

Tatsächlich: Wie viel wurde seit 9/11 geschrieben über die arabische Welt und islamistische Radikale. Ich habe dieses Buch kürzlich in zwei Tagen gelesen, nein : Gefressen, und meine wir haben aus tausend Berichten, Kolumnen und Reportagen furchtbar wenig erfahren über die Weltsicht eines strenggläubigen Moslems.

Dafür bedurfte es offenbar erst eines grandiosen Literaten wie John Updike.

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