Orde Wingate: Mutiger Held oder Terrorist?

Orde Wingate in Burma
Orde Wingate in Burma

Volksheld Wingate

Die englischsprachige Palestine Post berichtete am 12. Juni 1938 von einem Gefecht, in dem der Brite Orde Wingate verletzt wurde.

Wingate war nicht irgendein Hauptmann.

Für die meisten Juden in Palästina war der Engländer Wingate ein Volksheld: Er war nicht nur glühender Zionist, sondern auch Schöpfer der sogenannten “Night Squads“.

Die Night Squads (“Nacht-Kommandos”) waren aus Militär, Polizei und Zivilisten zusammengewürfelte Kommandoeinheiten, die aus Juden und Briten bestanden und die sich auf nächtliche Angriffe auf arabische Aufständische spezialisiert hatten. Bisweilen waren es aber auch einfach nur Angriffe auf unbeteiligte Araber, um die Landbevölkerung zu terrorisieren.

Seit 1936 gab es in Palästina einen arabischen Aufstand. Dabei kam es auch an jenem 12. Juli 1938 zu zahlreichen Konflikten.

Die Palestine Post berichtet von Bombenanschlägen, Schießereien und Messerattacken in Haifa, die 11 verletzte und 2 tote Juden forderten.

Die Night Squads unterwegs

Außerhalb Nazareths sei es außerdem zu einem nächtlichen Zusammenstoß zwischen einer Einheit unter Führung Orde Wingates und – so die Post – etwa fünfzig arabischen Freischärlern gekommen.

Beim diesem Zusammenstoß im Dorf Dabburiyah am Fuß des Berg Tabor habe es auf englischer Seite einen Toten und auf arabischer Seite drei Tote gegeben.

Am Bericht der Palestine Post ist bemerkenswert, dass die Zahl der arabischen Freischärler mit 50 präzise beziffert wird, und keine Zahl für die Truppe von Wingate angegeben wurde. Weiterhin hört es sich so an, als wären zwei Einheiten aufeinander getroffen.

Das passt nicht zur Darstellung in der Wingate-Biografie “Fire in the Night“.

Die Autoren Bierman/Smith geben an, dass Wingates Einheit aus 87 Mann bestand.

Heldenkampf oder feiger Überfall?

Wingates üblicher Plan, eine arabische Einheit oder ein Dorf durch einen Nachtangriff zu überraschen schlug fehl, da ein arabischer Posten Alarm schlagen konnte.

Daraufhin haben Dorfbewohner das Feuer eröffnet. Aufgrund der tiefen Nacht konnten sie kaum wissen, auf wen oder was genau sie schiessen sollten.

Als die britisch-jüdische Einheit ein massives Feuer eröffnete flüchteten die meisten Araber aus dem Dorf.

Wingate setzte den Flüchtenden mit einem Teil seiner Leute nach. Dabei geriet er unter “friendly fire”, also unter Beschuss durch die eigene Truppe.

Er wurde durch Querschläger mehrfach an Armen und Beinen getroffen.

Es sieht ganz danach aus, als habe es in Wirklichkeit keinen heldenhaften Kampf zwischen Wingates Truppe und einer arabischen “bewaffneten Bande” (O-Ton Palestine Post) gegeben.

Es dürfte vielmehr nur einen im Grunde hinterhältigen Überfall Wingates auf ein armes Dorf gewesen sein, in dem wie so oft einige der Bauern ihre alten Flinten hatten und sich zur Wehr setzen wollten:*

Dabburiyah was a dirt-poor place of flat-roofed houses whose mud walls would hardly stop a stone, let alone a rifle bullet.

Da das Heldentum Orde Wingates nicht beschädigt und die Moral der eigenen Leute aufrecht erhalten werden mußte, berichtete die Palestine Post eben so, wie sie es für richtig hielt.

— Schlesinger

Photo: Orde Wingate in Burma , Imperial War Museum (Wikimedia Public Domain)

* Zitiert aus der Wingate-Biografie

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