Weiter auseinander könnten die Schlußfolgerungen nicht sein, die der SPIEGEL und die Süddeutsche Zeitung aus der optischen Niederlage Barack Obamas ziehen. Optische Niederlage? Weil Obama trotz weniger Stimmen einen Wahlmann mehr gewinnen konnte. Nur darauf kommt es an. Dennoch war es eine Niederlage, weil Hillary deutlich mehr Wähler hinter sich bringen konnte.
Gabor Steingart vom SPIEGEL bilanziert nüchtern und von der Obama-Euphorie scheinbar gänzlich unbeeindruckt: Hillary hat erfolgreich auf die Erfahrungs-Karte gesetzt, die leisen Töne gesucht und dafür die passenden Wählerschichten gefunden: die Ärmeren, die Älteren, die Frauen. Vor allem die Frauen hätten Hillary verstanden. Statistisch ist das alles völlig korrekt. Beinahe kühl geht Steingart auf die emotionale Kampagne Obamas ein. Zu viel Begeisterung, zu viel jugendlicher Eifer auf beiden Seiten, zu viel Aufbruch, zu viel Versprechen, so der Tenor der Analyse. Beinahe unbarmherzig schließt der Artikel damit, dass Hillary verdientermaßen gewonnen habe, weil sie etwas wichtigeres angeboten habe als den hochtrabenden Wandel: Vertrauen.
Dazu mag man unterschiedlicher Auffassung sein. Statt “Vertrauen” könnte “Bekanntheit mit dem alt Vertrauten” eher zutreffen.
Die SZ scheint demgegenüber von der euphorischen Stimmung der Obama-Fans angetan zu sein. Die Niederlage wird eher als Pause interpretiert, um Luft und Schwung zu holen: “insgeheim setzt das junge Amerika auf Barack Obama”.
Ja, das räumt auch der SPIEGEL ein, aber wischt den Hinweis trocken beiseite: Die USA seien eine alternde, eine überalterte Gesellschaft. Die Alten würden nun einmal nicht Obama wählen. So ist das.
In Lion Feuchtwangers “Narrenweisheit – Tod und Verklärung des Jean Jaques Rousseau” will der junge Graf Fernand – vermeintlich im Geiste Jean Jaques Rousseaus – unbedingt am amerikanischen Freiheitskampf teilnehmen. Den pragmatischen, widerlautenden Argumenten des Baron Robinet ist er nicht gewachsen, will sich aber auch nicht beugen, denn das “war Vernunft, jene kalte, dürre Vernunft der Grimm und Diderot, der Feinde Jean-Jaques, und er, Fernand, hatte dieser Vernunft nichts entgegen zu setzen als den Befehl seines Herzens.”
Obama ist ganz schwärmerischer Rousseau, Clinton eine ganz enzyklopädisch-nüchterne Grimm und Diderot, um im Bild zu bleiben.
Es nahm kein gutes Ende mit dem jungen, schwärmerischen Fernand. Aber das ist nur eine Geschichte.
In South Carolina muss Obama sich beweisen, oder es könnte vorbei sein.
–Mark