Obama in der Kritik: Guantanamo

Zuerst wollte Obama die Bilder zu den Gräueltaten in Abu Ghraib und Guantanamo veröffentlichen lassen, dann machte er einen Rückzug.

Die Militärtribunale will er entgegen ursprünglicher Absicht fürs erste weiter bestehen lassen, jedoch unter strikter rechtsstaatlicher Kontrolle.

In einer aktuellen Rede zur nationalen Sicherheit versuchte Obama seine Positionen zu rechtfertigen.

Aufgrund seines Versuchs, einen Spagat zwischen der Rechten und den Liberalen zu finden, gerät er naturgemäß von beiden Seiten in die Kritik, wird aber auch in Schutz genommen.

Hier ein Auszug aus großen US Blogs:

Glenn Greenwald, Salon.com, sieht eine Diskrepanz zwischen der Rhetorik des Präsidenten und seiner Praxis:

Obama’s speech this morning, like most Obama speeches, made pretty points in rhetorically effective ways about the Constitution, our values, transparency, oversight, the state secrets privilege, and the rule of law. But his actions, in many critical cases, have repeatedly run afoul of those words.

Bill Kristol schlägt sich im Weekly Standard ganz auf die Seite von Dick Cheney:

Obama’s is the speech of a young senator who was once a part-time law professor – platitudinous and preachy, vague and pseudo-thoughtful in an abstract kind of way… he’s more comfortable as a debater, not as someone who takes responsibility for decisions.

Andrew Sullivan (Atlantic Monthly)hat indessen großes Vertrauen in seinen Präsidenten:

This speech, to my mind, was a conservative one by a conservative president who seeks first and foremost to use existing institutions to address the new challenges of the moment, and then seeks pragmatic compromises, always open to future checks and balances, in those places where such institutions clearly need reform and adjustment.

Jay Nordlinger, National Review, wähnt Obama nun in der Lage, die harten Fakten sehen zu müssen:

Obama found himself in a real jam about Guantanamo. He and the rest of the Left had made a bogey of it… Well, Obama wins the election, and he finds that Guantanamo does the job… But he is stuck with his original language and assertions. What to do? You can’t admit error; you can’t cut the Bush administration any slack. So you cover Guantanamo with a fog of words… I think that is what Obama has done in this speech.

Jason Zengerle vom New Republic meint, Obama sei in der Lage gewesen, eine für beide politischen Läger befriedigende Antwort gefunden zu haben:

It’s not an argument that can be boiled down to a bumper-sticker slogan, but it’s not so complicated, either, and I think it’s an effective rejoinder to his critics. He’s basically saying, Look, we’ve got to do something so if you don’t like my idea, come up with a better one. But we can’t keep doing the same thing. It effectively puts the ball back in his critics’ court.

Ich hätte mir von Obama gewünscht, ein gerichtliches Verfahren gegen die Urheber und Haupttäter der Folterverbrechen zu eröffnen, der nicht nur die unteren Chargen, sondern vor allem die Drahtzieher Rumsfeld und Cheney zur Verantwortung zieht. Das tue ich als Privatmann noch immer. Als Politologe sehe ich es anders.

Ein Gerichtsverfahren gegen einen derart großen Personenkreis von Militär über Geheimdienst bis hin zu Angehörigen der Regierung Bush / Cheney würde groß, um nicht zu sagen monströs.

Vor Obama gibt es wohl keinen Präsidenten seit 1945, der eine ähnliche Last von seinem Vorgänger übernehmen musste. Das Reservoir an Mitteln und Kräften ist auch bei Obama nicht unbegrenzt.

Der neue Präsident befindet sich inmitten einer öffentlich ausgetragenen heiklen Auseinandersetzung mit Dick Cheney zum Thema nationale Sicherheit.

Obama hat nach der “popular vote” keinen Erdrutschsieg, sondern einen bescheidenen Sieg davongetragen.

Er ist angetreten, das Land zu einen. In Guantanamo wird nicht mehr gefoltert, die rendition camps sind verboten. Derzeit geht Obama ein beachtliches Risiko ein, indem er Guantanamo-Häftlinge ins Land lassen will.

Gewiß könnte Obama versuchen, seine Positionen gegen alle erdenklichen Widerstände durchzusetzen. Das würde sein vorzeitiges Ende bedeuten. Was dann käme, sei dahingestellt.

Daher plädiere ich dafür, sich in den Wertungen zu Obama fürs erste nicht nur an das Wünschenswerte zu halten, sondern auch an das Machbare.

Oder in den Worten Präsident Roosevelts an seinen scharfen Kritiker Upton Sinclair: “Lassen Sie mich doch zwischendurch mal regieren!”

— Schlesinger

Eine weitere Presseschau zu diesem Thema finden Sie auf dem Blog Alltag und Philosophie.

Grafik: Jordin Isip, New York / USA,
mit freudlicher Genehmigung durch den Künstler / by courtesy of
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