Nachruf auf den Widerruf des Richter Goldstone

South African judge Richard Goldstone. Photo b...
An die Wand gestellt:  Richard Goldstone

Standrechtliche Erschießung

Bekanntlich hat Richter Richard Goldstone in einem viel beachteten Beitrag in der Washington Post einen Teil seines UN-Berichts zum Gazakrieg 2008/09 widerrufen:

We know a lot more today about what happened in the Gaza war of 2008-09 than we did when I chaired the fact-finding mission appointed by the U.N. Human Rights Council that produced what has come to be known as the Goldstone Report. If I had known then what I know now, the Goldstone Report would have been a different document.

Im Lichte neuerer Erkenntnisse, so Goldstone, seien die zivilen Opfer auf palästinensischer Seite nicht durch vorsätzlichen israelischen Beschuss verursacht worden, sondern allenfalls durch versehentliche Treffer.

Die moralischste Armee der Welt

Die politische Führung Israels und führende NeoCons in den USA haben sich entsprechend triumphierend geäußert. Nun sei klar gestellt, dass Israel die “moralischste Armee der Welt” habe.

Das wesentliche Motiv für Goldstones Rückzieher dürfte indessen weniger die Wahrheit gewesen sein als der Wunsch, nicht mehr länger ein Paria, ein Außenseiter, ein Verfluchter sein zu müssen.

Die extremen Formen sozialer Isolierung und politischen Rufmordes, wie sie in den USA und dort insbesondere im Kontext Israel geübt werden, kann man sich hierzulande kaum vorstellen.

Rufmord der Rechten

Man nehme nur den Beitrag des NeoCons Martin Peretz, dem ehem. Herausgeber des “The New Republic“.

Peretz brandredet gegen den “Widerruf” von Goldstone:

I would not allow him [to worship with members of the jewish community].

Not for one moment.

Let him pray with the Hamas Islamists who he believed, or pretended to believe, in his famous Gaza war crimes report”.

“Soll er doch mit Hamas beten”: Wie tief kann ein politischer Kommentator sinken?

Peretz zufolge ist es demnach auch keineswegs der israelische Gazakrieg, der die Lage in Palästina weiter verschärfte, sondern das “Giftgas” (“poison gas”) des Goldstone-Berichts.

Hält man sich vor Augen, dass jemand wie Goldstone eher nicht in “linken” Kreisen verkehrt, hat ihm der ganze Respekt dieses Klientels für seine klaren Worte im Bericht nichts gebracht. Nur die offene und bisweilen radikale Feindschaft seiner zuvor vertrauten konservativen Umgebung.

Er müsste ein Übermensch sein, hätte er auf seinem Bericht beharrt.

Muslimisches Leben ist nichts wert

Ach übrigens: Peretz war der, der letztes Jahr eine Kolumne schrieb, in der er meintemuslim life is cheap und dabei der muslimischen Gemeinde in den USA die Rechte aus dem Ersten Zusatzartikel der Verfassung in Abrede stellte. Dennn die Muslime würden diese Rechte seinem Bauchgefühl nach ohnehin nur missbrauchen:

they are [not] worthy of the privileges of the First Amendment* which I have in my gut the sense that they will abuse

Und vor solchen Radikalen muss einer wie Goldstone den Kotau machen. Leben wir im 21.Jahrhundert, oder doch noch in den verdammten Anfängen des 20.Jahrhunderts ?

— Schlesinger

Photo: Wikipedia CC Lizenz

* Zur Erinnerung: First Amendment: Recht auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, freie Religionsausübung.

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Tikun Olam

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