Gaza Grenze offen: Israel nervös, Hamas unter Druck

Gaza kann aufatmen.

Grenzübergang Rafah zu Ägypten

Nach vier langen Jahren der vollständigen Abriegelung durch Israel und Mubaraks Ägypten ist das für Gaza die lange ersehnte gute Nachricht: Die neue ägyptische Regierung hat den Grenzübergang Rafah ab dem heutigen Samstag geöffnet.

Die Grenze darf von Gaza aus von allen Frauen sowie von Männern bis 18 und über 40 passiert werden. Männer im Alter zwischen 18 und 40 benötigen ein Visa. Das soll offenbar ein Sicherheits-Feigenblatt sein, um zu signalisieren, dass man keine volljährigen Hamas-Aktivisten durchlassen möchte.

Diese geringfügige Beschränkung dürfte nichts daran ändern, dass sich die Wirtschaft von Gaza kräftig erholen wird, sobald der grenzüberschreitende Handel in Schwung kommt.

Keine Frage, dass Israel die Grenzöffnung besorgt beobachtet. Der stellvertretende Premier Silvan Shalom bezeichnete den Vorgang als gefährliche Entwicklung

This is a dangerous development that could lead to weapons and al-Qaida smuggling into Gaza

Anfang des Jahres habe ich versucht, die möglichen Reaktionen Israels auf die Grenzöffnung zu skizzieren. In jenem Essay war ich eher pessimistisch, was den Umgang Israels mit der neuen Lage anbelangt.

Nach der jüngsten Rede des israelischen Premiers Netanjahu vor dem US Kongress, die als fulminanter Sieg für ihn und Israels Rechte anzusehen ist, könnte man zum Schluß kommen, dass sich die Perspektive für einen friedlichen Umgang mit der von Ägypten nun durchbrochenen israelischen Blockade verschlechtert hat.

Das muss nicht sein.

Ägypten steht unter Beobachtung – und Hamas unter Druck

Selbstverständlich weiß auch das neue Ägypten, wie kritisch es von Israel – und damit von den USA – beobachtet wird, was das neue Verhältnis zu Gaza anbelangt.

Was gut ist für Gaza, muss noch lange nicht gut sein für Hamas. So schlimm die Blockade für die Bevölkerung von Gaza war, so gut war sie für Hamas, da sie in die Lage versetzt wurde die Zügel fest in der Hand zu behalten.

Jede Öffnung ist tendentiell schlecht für totalitäre Regimes. Das gilt für den Iran ebenso wie für Syrien, Libyen oder eben für Hamas im Gazastreifen.

Die USA, der Westen und die Weltbank haben Ägypten umfangreiche Unterstützung für den Demokratisierungsprozeß zugesagt. Das wird Ägypten unter keinen Umständen gefährden wollen durch einen allzu laxen Umgang mit dem Grenzverkehr nach und von Gaza.

Das weiß auch Hamas. Wenn sie klug ist, wird sie gerade nicht versuchen, den öffentlichen Grenzübergang für den Waffenschmuggel zu nutzen, sondern weiterhin die mehr als zahlreichen Tunnel dafür verwenden. Würden die Ägypter den Rafah-Übergang wegen Waffenschmuggels wieder schliessen, wird die Bevölkerung von Gaza Hamas die Schuld geben. Diesem Risiko wird sich Hamas nicht aussetzen wollen.

Auch eine wirtschaftliche Erholung wäre nichts, was Hamas einen Vorteil beschert. Die Grenzöffnung war gerade nicht ihr Verdienst, sondern das einer demokratischen, eher säkular gestimmten arabischen Freiheitsbewegung. Mit all dem kann Hamas nicht wirklich etwas anfangen. Mehr noch: Je mehr Demokratisierungseuphorie von Ägypten nach Gaza schwappt, desto schlechter für Hamas.

Map of Gaza Strip, Stand December 2008 (SVG ve...
Grenzübergänge des Gazastreifens

Insofern könnte Israel dem Geschehen fürs erste positiv gegenüber stehen.

Mehr noch: Wäre Israel klug, würde es die Öffnung sogar begrüssen. Dann stünde es als Freund der Demokratisierung da. Es hätte einen Vertrauensvorschuss gezeigt.

Geht alles gut, weil die Welt infolge der Öffnung sieht dass sich Gaza erholt und Hamas geschwächt wird, wäre allen gedient – außer Hamas oder dem Islamischen Jihad.

Insofern wäre es kein Wunder, wenn just die radikalen Kräfte in Gaza in der nächsten Zeit wieder verstärkt versuchen würde auf militärische Gewalt zurückzugreifen.

Nach der Testosteron-geschwängerten Rede Netanjahus im Kongress und seinen Attacken gegenüber den stets unfriedlichen Palästinensern sieht der worst case so aus: Hamas schießt ein paar Raketen ab, Israel schlägt hart zurück und nimmt den Vorfall zum Anlass, die Rafah-Grenze “von innen” zu schliessen, indem es die sogenannte Philadelphia-Route in Gaza wieder besetzt.

Dann wären Hamas und Israel wieder einig in dem, was beide vielleicht am besten beherrschen: Gewalt.

Die vorherige Variante wäre allemal besser.

— Schlesinger

Photo: Flickr CC Lizenz / gloucester2gaza

Karte: Wikipedia CC Lizenz / Gringer (talk)

UPDATE 31.05.2011

Hamas-Führer Ismael Haniyah ermahnt die Bürger von Gaza die Öffnung der Grenze von Rafah nicht zu gefährden:

Don’t do anything that could compromise the reopening of the terminal

We assure our Egyptian brothers: “Your security is ours and your stability is ours.”

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