Sehenswürdigkeiten in Israel

Bin gerade über die Frage eines STERN-Lesers gestolpert, welche Sehenwürdigkeiten man in Israel anschauen sollte:

Welche Sehenswürdigkeiten muss man in Israel gesehen haben?

Ich plane eine Reise nach Israel.

Welche Sehenswürdigkeiten muss man gesehen haben?

Könnt ihr mir eine Reiseroute empfehlen?

Ich habe zwei Wochen Zeit und möchte möglichst viel vom Land sehen.

Hierzu eine zweigeteilte Antwort.

(a) Die private Antwort

Israel (oder Palästina) strotzt so vor Geschichte, dass man auch die Frage stellen könnte “Ich habe zwei Wochen Zeit die Geschichte des Römischen Reiches vor Ort kennen zu lernen. Wo soll ich hin?”

Also: Wenn es nicht um eine Art Mallorca-Strandurlaub geht bitte zuerst eine Einführung lesen und sich dann  überlegen auf was es einem ankommt. Dann aussuchen.

Für Jerusalem alleine braucht man zwei Wochen, um das Nötigste gesehen zu haben. Na ja. Was hat man dann gesehen? Die üblichen Verdächtigen aus den Reiseführern wie Klagemauer, Altstadtmauer, Grabeskirche. Interessant als Geschichtsobjekte, aber doch eigentümlich tot wenn man den aktuellen Bezug ausblendet. Siehe unter (b).

Die Umgebung des See Genezareth im Norden einschliesslich des Jordan ist schön, braucht aber schon ein paar Tage. Wer jung ist kann in der hoch gelegenen Jugendherberge oberhalb des Sees logieren (mit Seeblick von der Terrasse aus). In einem der Restaurants nahe des Sees die lokale Spezialität “Petersfisch” essen!

Großartig die alte ehemalige Kreuzfahrer-Hafenstadt Akko an der Küste im Norden. In der arabischen Altstadt gibt es die vielleicht schönste Kaffee-Rösterei der Welt: Seit unzähligen Generationen in Familienbesitz und überquellend von Requisiten aus den letzten Jahrhunderten. Ganz abgesehen davon, dass es dort einen umwerfend guten Kaffee gibt.

Wer die Wüste Negev nicht besucht hat etwas versäumt. Die Stille. Die Farben. Das Licht. Der Vollmond. (Mitzpe Ramon oder Ein Gedi oder ein Bedouinenzelt, was es inzwischen als Tourangebot gibt).

Die Bergfestung Massada sollte man gesehen haben. Die dort von den Römern erbaute Schanze zur Eroberung der jüdischen Felsenfestung ist fast vollständig erhalten und vermittelt einen guten Eindruck, was 73 n.Chr. bei der Belagerung durch die zehnte römische Division unter Flavius Silva stattgefunden hat.

Tel Aviv. Vergiss die Dizengoff Strasse: Grau, staubig, laut.
Der gleichnamige früher bunte und lebendige Platz ein Schatten seiner selbst.
Mässig die eine Zeitlang begehrte Shinkin-Street.
Schön, sehr schön der überaus beliebte große Naturpark im Norden entlang des Yarkon-Flusses.
Man suche die Bauhaus-Gebäude aus den Zwanzigern und Dreissigern.
Tolle Cafes in unzähligen Seitensträsschen.
Der Strand ist unglaublich feinsandig, aber die Strandpromenade mässig schön. Viele nicht mehr ganz moderne Hochhäuser und zahlreiche billige Kioske.

Das arabische Jaffa südlich von TLV.
Dort essen gehen im Dr. Shakshuka (Beit Eshel Street 3, Tel Aviv-Jaffa). Durch die klein, laute Altstadt mit den unzähligen Trödelläden schlendern.

Unvergleichliches Gebäck auf dem Markt von Tel Aviv – am Südausgang gibt es einen arabischen Bäckerstand, der alles nach Kilo verkauft. Für eine üppige Tüte gefüllt mit feinsten Nuss-, Mandel-, und Sesamhörnchen habe ich um 1 Euro 50 bezahlt… Apropos Markt: Köstlichste Tomaten oder Auberginen oder Zucchini um ein Drittel des Preises von hier. Man flucht über die hiesigen Holland-Belgien-Spanien-Tomaten wenn man sieht, dass man an anderen Orten Gemüse bekommt, das noch Gemüse ist und nicht Konserve für gefärbtes dehydriertes Wasser… Überhaupt der Markt: Sollte man hin. Quirlig, laut, tolles Sortiment!

Das Museum für zeitgenössische Kunst ist unbedingt empfehlenswert, und sei es nur wegen der ungewöhnlich freundlichen Mitarbeiter.

Weinfreund? Gute Güte, Israel gehört seit einigen Jahren zur Avantgarde der Weinerzeuger. Ob es nun Weine der großen Erzeugen wie Carmel oder Golan Heights sind oder eine Abfüllung einer der feinen kleinen Erzeuger wie dem Traditionsunternehmen Teperberg 1870 (wundervolles Geschäft in Tel Aviv in der Nähe des Marktes:  besuchen und geniessen bei guter Beratung!): Sogar die “einfachen” Weine haben eine bemerkenswerte Qualität.

Eilat am Roten Meer: Nur etwas für Taucher & Schnorchler und Leute. Sonst gesichts- und charakterlos. Ein Urlaubsort am Meer aus der Retorte. Viele Russen und osteuropäische prostituierte. Eilat soll inzwischen der inoffizielle Armeepuff sein.

(b) Die politische Antwort

Mit Entsetzen erinnere ich mich an die deutsche Familie, die ich in Jerusalem getroffen habe. Während des Frühstücks ging es am Nachbartisch dieser Familie um den bevorstehenden Ausflug zur Oase Ein Gedi am Toten Meer. Die resolute Frau – Typ Deutschlehrerin – merkte etwas sorgenvoll an, dass die Strecke doch durch ein Gebiet führt, das von Palästinensern besetzt ist. Tatsächlich ist es so, dass eine Straße, die zu befahren ausschließlich Israelis erlaubt ist, von Jerusalem aus durch die palästinensische Westbank zum Toten Meer führt (und weiter nach Eilat am Roten Meer). Bleibt zu hoffen, dass nur eine kleine Zahl von Touristen mit einem derartigen Maß an politischer Ignoranz Unwissenheit nach Israel reisen.

Was man gesehen haben sollte, um wenigstens eine Ahnung zu bekommen zum Nahostkonflikt:

Die sogenannte Sicherheitsmauer, auch Sicherheitszaun, Apartheitmauer oder Trennmauer genannt. In Jerusalem durchschneidet sie zum Beispiel den arabischen Stadtteil Silwan. Wer vor dem teilweise 8 Meter hohen stacheldrahtbewehrten Monstrum steht ahnt welche inhumane Gesinnung diejenigen haben, die solche Bollwerke erstellen. Denn getroffen wird zuallererst nur die Bevölkerung, und das in tausend Situationen des alltäglichen Lebens: Dem Weg zur Schule, Einkaufen, Gemeindeleben, Krankenhausvisiten oder Verwandtschaftsbesuche.

Hebron. Die Stadt der “Patriarchen” ist eine palästinensische Stadt von rund 160 Tausend Einwohnern. Ihnen wird das Leben annähernd unerträglich gemacht durch 400 radikale jüdische Siedler, die in der Altstadt von Hebron wohnen. Sie erlauben sich alles gegenüber den Arabern, dürfen bewaffnet sein, weshalb es auch zu entsprechen Verletzungen bis hin zu Erschiessungen von Palästinensern kommt.Die Siedler werfen auch ihren Müll in die Gassen der Altstadt, in denen die Händler ihre Obst- und Gemüsestände haben. Zum Schutz gegen den herabgeworfenen Müll haben die Händler ihre Gassen zum Teil mit Netzen überspannt:

Das ehemalige “Dolphinarium” an der Strandpromenade von Tel Aviv. Die ehemals quirlige Anlage wurde am 1.Juni 2001 Ziel eines verheerenden palästinensischen Selbstmordanschlags. 21 Teenager wurden getötet und weit über 100 zum Teil schwer verletzt. Die Fassade des Gebäudes wurde schwer beschädigt. Das verwahrloste Gelände steht wie eine stumme Mahnung leer und notdürftig eingezäunt und gibt Auskunft über den Schrecken, der durch diesen Konflikt verbreitet wird.

Wer nach Israel reist und den politischen Hintergrund partout ausblendet verhöhnt die Leidtragenden, die es auf beiden Seiten gibt.

— Schlesinger

Photo Ein Gedi: Ester Inbar via Wkipedia (CC Lizenz)

Photo Hebron: Cafe Tel Aviv (CC Lizenz: Verlinkung auf und Bennung dieses Blogs)

Filmempfehlungen:

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