Rückblick: Zerstörung von 135 arabischen Wohnungen

Die aktuelle Nicht-Krise zwischen Israel und den USA entstand durch die israelische Ankündigung, im arabischen Teil Jerusalems weitere 1600 Wohnungen bauen zu lassen. Bislang hat Premierminister Netanjahu die Ankündigung nicht zurückgezogen.

Immerhin: Um die letztlich seit Amtsantritt von Barack Obama angespannten Beziehungen zwischen Israel und den USA nicht weiter zu belasten, hat die israelische Regierung die seit langen Jahren praktizierte Zerstörung von arabischen Wohnungen in Ostjerusalem seit fünf Monaten eingestellt. Alleine im letzten Jahr wurden 89 Wohnungen von Bulldozern beseitigt. Zuvor waren es jährlich zwischen 80 und 90 Wohneinheiten. Seit dem Sechstagekrieg von 1967 hat Israel in Ostjerusalem, im Westjordanland und in Gaza 24.000 palästinensische Häuser zerstört.

Der jüngste Sinneswandel kam nicht von alleine. So wie Joe Biden und Barack Obama in der momentanen Krise erklärten, das Vorgehen Israels sei “nicht hilfreich”, um den Friedensprozeß weiter zu bringen, kommentierte Hillary Clinton im vergangenen Jahr unmißverständlich, die Zerstörung von arabischen Wohnungen sei nicht hilfreich:

Clearly this kind of activity is unhelpful and not in keeping with the obligations entered into under the ‘road map’,” she said, referring to the long-stalled peace plan. “It is an issue that we intend to raise with the government of Israel and the government at the municipal level in Jerusalem.”

Ergo: Wenn Washington den Druck aufrecht erhält, gibt Israel nach. Wie könnte es auch anders sein. Das beantwortet nicht die Frage, was Washington zu einem bestimmten Zeitpunkt für opportun hält. Derzeit ist nicht ganz klar, ob man den (innenpolitischen) Preis zu zahlen bereit ist.

Hauszerstörung, eine israelische Tradition

Was nun die Zerstörung palästinensische Häuser und Wohnungen anbelangt, kann Israel auf eine lange Tradition zurückblicken. Ebenso wie im sogenannten Unabhängigkeitskrieg von 1948 haben während des Sechstagekriegs von 1967 massive Zerstörungen von arabischem Wohneigentum stattgefunden.

Der Kriegsheld von 1967, General und Verteidigungsminister Moshe Dayan meinte lapidar, natürlich seien die notwendigen zionistischen Maßnahmen (der Zerstörung und Vertreibung) unpopulär, aber dennoch unverzichtbar, um zum Ziel zu gelangen.

Als die israelische Armee Ost-Jerusalem einnahm und den damals wohl größten jüdischen Traum wahr machte, die Klagemauer (Kotel) in Besitz zu nehmen, war der umgebende Platz nicht die großzügige Fläche, wie man sie heute kennt. Es war ein bewohntes arabisches Armenviertel.

Um aber künftig großzügigen Zugang zur Westmauer und Platz für größere Zeremonien und Gottesdienste zu haben, wurde kurzerhand beschlossen die angrenzen Häuser zu beseitigen. Am dritten Kriegstag waren Bulldozer vor Ort, um die Hütten und Häuser zu beseitigen. Betroffen waren 135 Häuser beziehungsweise Wohneinheiten. Die Bewohner wurden zum Gehen aufgefordert, wobei sie aufgrund der knappen Zeit nur das Notwendigste mitnehmen konnten.

Offenbar war die Anregung dazu von keinem Geringeren als dem ehemaligen Ministerpäsidenten David Ben-Gurion gekommen. Den Befehl gab letztlich der Oberkommandierende dieses Frontabschnitts General Uzi Narkis. Der war sich der heiklen Natur seines Befehls durchaus bewußt, aber ordnete die Räumung an, weil seines Erachtens eine einmalige historische Chance vertan worden wäre.

Die westliche Welt war ebenso wie die israelische Presse viel zu stark überwältigt vom überwältigenden militärischen Erfolg Israels, als dass man großes Augenmerk auf die damit verbundene menschliche Tragödie gerichtet hätte. Keine Frage, dass Krieg für die unmittelbar Betroffenen stets ein Debakel darstellt. Doch ist es eins, ob Mensch, Tier, Haus und Natur vom Kriegsgeschehen in Mitleidenschaft gezogen werden, oder ob die militärische Aktion dazu benutzt wird, ganz andere politische Ziele zu verfolgen. Diese Politik der versuchten und betriebenen Ent-Arabisierung verfolgte Israel im Krieg von 1948 ebenso wie im Krieg von 1967 und – sozusagen in “zivilen” Bahnen – seitdem.

Gott, ein Menschenknecht

Ganz in diesem Geiste begutachteten wenig später der legendäre Bürgermeister Jerusalems (und vormalige Wiener) Teddy Kollek mit einer kleinen Gruppe das Areal vor der Klagemauer, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Kollek kontaktierte daraufhin den Justizminister, in welchem juristischen Rahmen man handeln könne. Der gab zur Antwort:*

I don’t know what the legal status is. Do it quickly and may the God of Israel be with you.

Das freilich ist eine universelle Kategorie: Der Gott wurde seit Menschengedenken bemüht, die höchst eigenen Ziele mit zu tragen. Darin unterscheidet sich die israelische Armee nicht von der amerikanischen im Irak (Kampf gegen die “axis of evil”), von der Wehrmacht (“Gott mit uns”, Inschrift der Gürtel-Koppeln), von der Katholischen Kirche (Kreuzzüge unter dem Motto “Gott will es!” – deus lo vult), … von Barcas Superkicker Messi (der sich bei jedem millionenschweren Tor brav die Stirn bekreuzigt, als ob es Gottes Wille wäre) oder unendlich vieler ähnlich gelagerter Fälle bis hin zu Lieschen Müller.

Aus Sicht des Einzelnen “Gottesfürchtigen” war der Gott schon immer nur für ihn und seine Sache da. Kurzum: Der Gott war schon immer ein armer Menschenknecht. Aber das ist ein anderes Thema.

— Schlesinger

* zit. nach Tom Segev, 1967, S. 482
(Photo: jenniferlisa, Laufer Izhar, je Flickr CC Lizenz;)
Israelisches Kommittee gegen Hauszerstörungen: ICAHD
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