Versteckter Revisionismus des Wall Street Journal

Das Wall Street Journal des Medienmoguls Rupert Murdoch machte sich vergangenes Wochenende daran, die politischen Probleme der heutigen USA zu analysieren.

Derzeit würde man einen gewaltigen Hunger nach Veränderung spüren:

The public’s hunger for a change in Washington’s ways has formed the backdrop of this year’s presidential race from its outset.

Der hauptsächliche Grund, so der Beitrag, liege in einer zunehmenden Entzweiung der beiden großen Parteien.

Blumig wird dann fabuliert, dass dies wiederum in einer zunehmenden Distanzierung der politischen Akteure voneinander begründet sei. Viele würde schon gar nicht mehr in Washington leben, sondern als Pendler ihrer politischen Arbeit nachgehen.
Über regionale Herkünfte der Abgeordneten wird dann geredet, über den Einfluss der Computerisierung und der elektronischen Kommunikation, über veränderte Wahlkampffinanzierung.

Keine Silbe über den Irakkrieg. Nichts von der Immobilienkrise. Kein Ton zu Guantanamo oder den Abhörmaßnahmen der Regierung. Nichts zur galoppierenden Staatsverschuldung.

Nein, wer hätte das gedacht: Die Abgeordneten beider Parteien müssten in Washington einfach öfter kuscheln. Dann liessen sich Brücken zwischen den Parteien bauen.

Warum auch sollten die neuralgischen Punkte angesprochen werden? Für den Irakkrieg ist schliesslich nicht George W. Bush, sondern sind die Demokraten und die Vereinten Nationen schuld, die dem Krieg zugestimmt haben.

Für eine bestimmte Spezies von Politikern (und deren Hofmedien) kam und kommt es letztlich nur auf maximale Kaltschneuzigkeit an. Das ist keinesfalls eine neue Einsicht – nur immer wieder überraschend, dieses Phänomen in Extremform anzutreffen. Selbst dann, wenn sich über zwei Drittel aller Amerikaner mehr oder weniger angeekelt vom Hauptakteur Bush abwenden.

In solcher Lage als Zeitung die verlogenen Argumente der Regierung Bush anzubieten, hat mit Meinungsfreiheit nur noch bedingt zu tun.

Es ist schlicht Propagandaarbeit zu Diensten eines bestimmten Klientels.

— Schlesinger

PS.: Taktisch übrigens sehr clever aufgezogen: Der Artikel ist “nur” ein Buchauszug. Der Auszug steht allerdings nicht im Feuilleton, sondern gehört zur Walhkampfberichterstattung.

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