Nakba: Vertreibung der Palästinenser

Vertreibung der Palästinenser
Gut gelaunte jüdische Soldaten im Unabhängigkeitskrieg

Vor und während des sogenannten Unabhängigkeitskrieg von 1948 hat die israelische Armee eine ethnische Säuberung Palästinas durchgeführt.

Etwa 800.000 Palästinenser wurden aus ihrer Heimat vertrieben oder flohen vor der Israelischen Armee.

Rund 800 Dörfer wurden von der israelischen Armee zerstört.

Die Vertreibung der Palästinenser wird als “Nakba” bezeichnet.

Der Kampf der israelischen Armee gegen die regulären arabischen Armeen – man sollte zutreffend eher von einzelnen, zersplitterten Armeeeinheiten sprechen – fand beinahe nebenbei statt.

In romantisierenden Büchern und Filmen zum Thema israelischer Unabhängigkeitskrieg wurde die brutale Vertreibung unterschlagen. Die westliche Welt sollte nur das Bild des des kleinen David gegen den arabischen Goliath sehen.

Noch heute verkauft sich der zutiefst rassistische alte Millionen-Bestseller “Exodus” von Leon Uris sehr gut.

Wie die Wirklichkeit im Unabhängigkeitskrieg ausgesehen hat, hat der jüdische Kriegsteilnehmer Yizhar Smilansky alias S. Yizhar in seinem Buch “Khirbet Khizeh” geschildert. Der Form nach ist es ein Roman, aber man nimmt an, dass es inhaltlich das Kriegstagebuch von Yizhar Smilansky ist.

Das Kriegstagebuch “Khirbet Khizeh

Hier ein Auszug aus dem Roman, als sich die jüdische Einheit dem kleinen arabischen Dorf Khirbet Khizeh genähert und Stellung bezogen hat.

Nur noch ältere Männer, Frauen und Kinder waren im Dorf. Einige versuchen zu fliehen, als sie die jüdischen Soldaten sehen. In der Zwischenzeit hat die israelische Maschinengewehreinheit ihre Position eingenommen:

Schattengestalten, die sich im Freien bewegten und in Eile zu sein schienen, aber ihre Eile wurde durch die Größe des Geländes zunichte gemacht; es war wie das sinnlose Winden eines Wurms.

“Hol sie Dir!”, sagte Schmulik. “Etwas nach rechts.”

“Du hast verfehlt”, sagte Moishe hinter dem Fernglas. “Weiter nach rechts und ein wenig höher. Jetzt! Feuer!”

Jagdtrieb stärker als Moral

Wir wurden ganz aufgeregt.

Der Nervenkitzel der Jagd, die in jedem Mann lauert, hatte uns fest im  Griff.

“Auch dort drüben”, brüllte jemand und zeigte auf ein anderes Feld, auf dem, wie Ameisen, viele Gestalten rannten, deren ruckartige Eile von der Größe des Feldes verschluckt wurde. Ich fragte nach dem Fernglas und sah sie, Gruppe für Gruppe, oder vielleicht Familie für Familie, oder vielleicht Banden von gleicher Stärke, als sie flohen, vier oder fünf oder sechs, oder einzelne Individuen – Frauen, die sehr leicht an ihren weißen Tüchern über ihren schwarzen Gewändern und ihrem Laufen erkennbar waren, weil sie erschöpft und kurzatmig waren, scheinbar für einen Moment auf ein Schritttempo verlangsamten, und dann wieder schneller wurden, bis sie wieder in einem schweren Lauf waren, der weniger Geschwindigkeit als eine Konzentration aller Kräfte und Atemzüge enthielt, um zu beweisen, dass alles getan wurde, um zu laufen; damit sie vor ihrem Schicksal gerettet wurden.

In diesem Moment wurde deutlich, wie eine Gruppe von drei Personen einen Hügel hinauf hastete.

“Genau da”, rief ich und zeigte sie Gaby an. “Entfernung zwölfhundert, rechts von diesem einsamen Baum. Du hast eine gute Chance!” Und in diesem Moment schauderte ich aus irgendeinem Grund, und während meine Hände immer noch auf die Fluchtwege zeigten, und ich betrunken war vor Aufregung, fühlte ich wie ein verwundeter Vogel, dass irgend etwas in mir etwas anderes schrie, und während ich erschrocken war von diesen beiden Stimmen, feuerte Gaby mehrere Salven ab, und Moishe sagte: “Zum Teufel mit dir! Du weißt überhaupt nicht wie man schießt!”

Überrascht fühlte ich mich irgendwie erleichtert, vielleicht so: “Lass ihn vorbei schießen, oh, lass ihn vorbei schießen!” Ich sah mich schnell um, um sicherzustellen, dass mich niemand in diesem Moment der Scham gesehen hatte.

Sofort und voller Unbehagen fuhr ich fort, diesen Graben im Feld zu beobachten und die panischen Gestalten dort, die umherirrten und versuchten, aus ihm herauszukommen, aber die Erde konnte sie nicht schützen, es sei denn, sie schafften es, über diese Hügel hinaus zu gelangen, über den Horizont.

“Ich habe sie!”, rief Gaby.

[…]

Prophezeiung des Jüngsten Gerichts

Im Krieg von 1948/49 haben israelische Einheiten regelmäßig Häuser der arabischen Einwohner gesprengt.

Das hat Yizhar Smilansky im Roman aufgegriffen. Nachdem der Beschuß zu Ende war, wurden die Reste der Bevölkerung auf dem Dorfplatz zusammengetrieben.

Eine alte Frau will zu ihrem zerstörten Haus laufen:

ihr Haus und ihre Welt waren zum Stillstand gekommen, und alles war dunkel geworden und brach zusammen; plötzlich hatte sie etwas Unvorstellbares, Schreckliches, Unglaubliches erkannt, direkt vor ihr, real und grausam, körperlich spürbar, und es gab kein Zurück mehr.

Aber der Soldat grimassierte, als wäre er es leid, zuzuhören, und er schrie sie wieder an, sich mit den anderen hinzusetzen.

Doch die Frau war schon taub für warnende Hinweise, sie ignorierte ihn und rannte schwer auf den Ort der Explosion zu. Mit einer Bewegung seiner Hand packte der junge Soldat ihr Kopftuch, und ihr Haar war beschämend entblößt und den Blicken ausgesetzt, etwas, das alle erschreckte und die Frau erzürnte.[…]

“Lass sie in Ruhe”, sagte jemand. “Sie wird zurückkommen.”

Ein alter Mann stand auf, anscheinend einer der angesehensten Männer des Dorfes, und kam aus seiner Gruppe zu uns, mit einer Hand an seiner Brust und der anderen vor ihm in einer Geste höflicher Bitte, mit einer Höflichkeit, die beide Seiten sicherlich als Grundlage für einen Dialog anerkennen würden, wie es den geehrten Gesprächspartnern angemessen wäre.

Er näherte sich uns und suchte nach jemanden, mit dem er ein Gespräch beginnen könnte. Derjenige, den er auswählte, ließ ihn jedoch kein einziges Wort aussprechen, sondern zeigte auf die Stelle, an der er gesessen hatte und sagte: “Bleib an deinem Platz, bis du gerufen wirst.”

Der alte Mann wollte zuerst eine Antwort geben oder ihn zurecht weisen, überlegte es sich aber anders, zuckte mit den Schultern und kehrte bekümmert an seinen Platz zurück, unterstützt von seinem Stock und den mehreren Händen, die ihm von den noch sitzenden Männern ausgestreckt wurden.

Er setzte sich schwer hin und seufzte: “La illah ila Allah, es gibt keinen Gott außer Gott.” Etwas Altes und Biblisches flackerte noch einmal für einen Moment, bis eine andere Prophezeiung des Jüngsten Gerichts ihren Platz einnahm und in der Luft hing.

Jeder, der vergessen hatte, wie all das enden würde, wusste wieder, was vor ihm lag.

“Wie heißt dieser Ort überhaupt?”, sagte Shlomo. “Khirbet Khizeh”, antwortete jemand.

Zum Ende dieses Tagebuchs wurden die arabischen Bewohner auf Lastwagen verladen und weggebracht.

Die Vertreibung der Palästinenser bestand aus vielen Hundert Khirbet Khizehs.

Die Schilderung Yizhar Smilanskys über die Eroberung und Vertreibung eines palästinensischen Dorfes gehört zu den leicht verdaulichen Schilderungen von Kriegsgräueln.

Eine Lektion kann und muß man aus “Khirbet Khizeh” ziehen: Im Krieg werden die Menschen zuallererst von ihren Instinkten geleitet und vom Kampfgeschehen getrieben, nicht von Moral.

Im Krieg ersäuft die Moral in einem Meer von Adrenalin.

Im Dorf Khirbet Khizeh wurden nur Zivilisten gejagt. Niemand schoß zurück. Trotzdem wurden die Gefangenen gedemütigt. Was geschehen konnte, wenn Palästinenser zurück schossen, sah man beim Massaker von Deir Jassin.

Angreifen um Dörfer zu verbrennen

Shlomo Ben-Ami, ehemaliger Außenminister Israels unter dem Ministerpräsidenten Ehud Barak steht zu den Erkenntnissen, die die Historiker seines Landes der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben.

Ben-Ami beschreibt in seinem Buch “Scars of war” (Wunden des Kriegs) wie es den Palästinensern 1948/49 erging angesichts der Aktionen des israelischen Militärs:*

Eine arabische Gemeinschaft im Zustand des Terrors,

die einer rücksichtslosen israelischen Armee gegenüberstand,

deren Weg zum Sieg nicht nur durch ihre Heldentaten gegen die regulären arabischen Armeen geebnet wurde,

sondern auch durch die Einschüchterung und manchmal auch durch Gräueltaten und Massaker, die sie an der arabischen Zivilbevölkerung verübte.

Eine von Panik ergriffene arabische Gemeinschaft wurde unter dem Eindruck von Massakern entwurzelt, die in das Denkmal der Trauer und des Hasses der Araber gemeißelt werden sollten, wie die von Deir Jassin, Ein Zeitun, Ilabun und Lydda;

Den Einsätzen der israelischen Einheiten lagen bisweilen solche Befehle zugrunde:

“anzugreifen, um zu erobern, die Menschen zu töten, die Dörfer zu zerstören und zu verbrennen…”

Einsatzbefehl von Moshe Carmel
Kommandeur der Carmeli-Brigade
( OPERATION YIFTAH )

Einsatzbefehle eines “normalen” Angriffs lauten anders.

Die Einsatzbefehle der Haganah bzw. israelischen Armee waren zum Teil Vernichtungsbefehle.

— Schlesinger

* Shlomo Ben-Ami, Scars of war, wounds of peace, S.42, S.49

Dieser Beitrag gehört zur Serie Kriegsverbrechen Israels.
Hier finden Sie Teil 2 zum Thema “Vertreibung der Palästinenser“.

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