Tel Aviv 1952: Attentatsversuch wegen Wiedergutmachung

Die Wiedergutmachung wollten nicht alle.

Im Herbst 1952 unterzeichneten Israel, die Jewish Claims Conference und Deutschland das Abkommen von Wassenaar (Luxemburg).

Dem Abkommen waren zähe Verhandlungen vorangegangen, in der die deutsche und jüdische Seite mit harten Bandagen gestritten und gerungen haben.

Wiedergutmachen konnte Deutschland ohnehin nichts. Dafür war das Verbrechen des Völermords zu groß. Aus jüdischer Sicht sollte es allenfalls um Sühne gehen.*

In Israel waren die Wiedergutmachungsverhandlungen mit Deutschland von Anfang an umstrittenen, politisch wie moralisch.

Die rechtkonservative Herut-Partei unter ihrem Vorsitzenden Menachem Begin** stellte sich entschieden gegen alle Verhandlungen mit dem Land der Mörder. Menachem Begin gab die Losung aus:

Unsere Ehre soll nicht für Geld verkauft werden, unser Blut soll nicht mit Gütern beglichen werden – wir werden die Entehrung auswischen!

Menachem Begin gegen Wiedergutmachung
Menachem Begin wütete gegen jede Wiedergutmachung mit Deutschland

Auf dem Jerusalemer Zionsplatz rief Menachem Begin am 7. Januar 1952:

Das wird ein Krieg auf Leben und Tod.

Es gibt keinen Deutschen, der nicht unsere Väter ermordet hat.

Adenauer ist ein Mörder. Jeder Deutsche ist ein Mörder

Attentatsversuch auf Adenauer

Schon im März 1952 war im Münchner Polizeipräsidium eine Briefbombe explodiert. Das Paket war an Bundeskanzler Konrad Adenauer adressiert, wurde aber aufgrund einer auffälligen Adressierung bei der Polizei abgegeben. Der Sprengmeister der das Paket untersuchte wurde getötet, weitere Polizisten zum Teil schwer verletzt.

In Frankreich wurden fünf Verdächtige Israelis festgenommen. Mit Ausnahme von Elieser Sudit, bei dem man Waffen fand, wurden sie mangels Beweisen freigelassen. Sudit gab später in seinen Memoiren an, Menachem Begin sei der Drahtzieher des Attentatversuchs gewesen.

Attentatsversuch in Tel Aviv

Dov Shilansky war ein weiterer Gefolgmann Begins. Er überlebte den sogenannten “Dachauer Todesmarsch” und kam im Juni 1948, wenige Wochen nach der Staatsgründung Israels, an Bord der Altalena nach Palästina. In Europa hatte sich Shilansky der Irgun angeschlossen. In Israel angekommen, kämpfte er in dieser Bewegung im noch andauernden israelischen Unabhängigkeitskrieg.

Am 05. Oktober 1952 – das Wiedergutmachungsabkommen mit den Deutschen war schon unterzeichnet – marschierte Shilansky in die Eingangshalle des israelischen Außenministeriums in Tel Aviv.

Er trug eine Tasche mit 25 Stangen Dynamit bei sich. Mit dem Anschlag wollte er die die Umsetzung der Luxemburger Vereinbarungen mit Deutschland verhindern. Sicherheitskräfte haben ihn rechtzeitig festgenommen. Er wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Terrorist in der Ethik-Kommission

Später wurde Shilansky Rechtsanwalt und gehörte der Ethik-Kommission der israelischen Anwaltskammer an.

Von 1977 – dem Jahr, in dem Menachem Begin an die Macht kam – bis 1996 war Shilansky Mitglied der Knesset. Eine zeitlang war er Sprecher der Knesset. Im Parlament setzte er sich stark für die Gleichberechtigung der jüdischen Einwanderer aus arabischen Ländern ein (“Mizrahim“). Bei den Präsidentschaftswahlen 1993 unterlag Shilansky nur knapp Eliezer Weizmann. Er starb  2010 in Tel Aviv.

Am Beispiel Dov Shilansky sieht man einmal mehr: “Terrorismus” ist eine Frage der Perspektive.

— Schlesinger

Photo: Menachem Begin: Wikipedia Public Domain

* Die Unterzeichnung war am 10.09.1952.

Der hebräische Begriff Shilumim bringt den Sühnegedanken zum Ausdruck. Mit dem merkwürdigen deutschen Begriff “Wiedergutmachung” hat er wenig zu tun.

** Menachem Begin war während der britischen Mandatszeit Kommandeur der terroristischen jüdischen Untergrundorganisation Irgun. Sie kämpfte mit terroristischen Mitteln gegen die Briten. Berüchtigt war ihr Anschlag auf das König David Hotel in Jerusalem. Begin wurde 1977 Ministerpräsident Israels.

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