Israel und Türkei: Eine Beziehung der besonderen Art

Nach der jüdischen Politologin Lily G. Feldmann sind besondere Beziehungen geprägt durch (a) einen intensiven politisch-kulturellen Austausch, (b) eine längere gemeinsame Geschichte oder eine kurze, aber intensive Phase der Gemeinsamkeit sowie (c) Bedürfnissen, die weitgehend nur vom anderen Teil erbracht werden können.

Offenkundig trifft nichts davon zu im Verhältnis der beiden Staaten Israel und Türkei.

Insofern kann man den honeymoon der kurzen Turteltäubchen-Jahre vergleichen mit einem ungestümen jungen Päarchen, das zwar nicht besonders gut zusammen passt, das nach Einnahme einiger leidenschaftsförderlicher Ecstasy-Tabletten wild zueinander findet.

Der unbarmherzige israelische Gaza-Krieg der Jahreswende 2008/09, der 1400 Menschen in Gaza das Leben kostete – die Mehrzahl Zivilisten – führte der Türkei unvermittel vor Augen, auf wen es sich eingelassen hatte.

Nun ist die Türkei selbst kein Kind von Unschuld, wie seine Politik gegenüber den Minderheiten im Land und die Borniertheit in Sachen Völkermord an den Armeniern deutlich zeigt. Insofern ist die Richterrolle, die sich Erdogan seit einiger Zeit anmaßt von zweifelhafter Qualität. Was ihn dazu bewogen haben mag, den starken Mann zu spielen, dürfte weniger echter moralischer Entrüstung geschuldet sein, sondern vielmehr die berechtigte Einschätzung, dass seine muslimischen Landleute diese harte Position begrüssen werden.

Nun hat sich das Verhältnis beider Länder auf den Nullpunkt abgekühlt, nachdem die Türkei ihren Botschafter mit der Begründung abgezogen hat, Israel verweigere eine offizielle Entschuldigung für die neun türkischen Toten beim gewaltsamen Aufbringen der sogenannten Gaza-Hilfsflottille im Mai vergangenen Jahres.

Beide Seiten zeigen sich jetzt von ihrer hässlichsten Seite.

Ganz in seinem Metier scheint Israels Außenminister Avigdor Lieberman zu sein, der ehemalige Türsteher aus Moldawien. Der polterte gerade wüst drauf los und fegt mit grober Hand alle diplomatischen Regeln beiseite.

Auf die unnötig säbelrasselnde Ankündigung der Türkei, man werde künftige Hilfskonvois nach Gaza unter den Schutz eines bewaffneten Konvois stellen, drohte Lieberman zurück, man werde die Türkei “bestrafen” und könnte zum Beispiel als Vergeltung Waffen an die kurdische PKK liefern.

An dieser Äußerung kann man die zwei wesentlichen Eigenschaften Liebermans gut ablesen. Er ist persönlich unbeherrscht – daher die Wortwahl –  und er ist politisch unbeherrscht – daher der Inhalt der Drohung-.

Israel als Verbündeter der PKK, die seitens Ankaras und Europas als Terrororganisation eingestuft ist?

Das kommt einem bewaffneten Angriff auf ein NATO-Mitgliedsstaat gefährlich nahe. Das freilich hat sich Liebermann nicht klar gemacht, bevor er den rhetorischen Hammer herausholte, der ihn selbst wahrscheinlich am meisten beeindruckt hat. Und ganz in der Pose des gewalttätigen Türstehers schob er nach, dass die Türkei besser Respekt zeigen solle gegenüber Israel, und dass man Erdogan einen Preis auferlegen werde, der ihm zeige, dass es sich nicht lohnt, sich mit Israel anzulegen:

We’ll exact a price from Erdogan that will prove to him that messing with Israel doesn’t pay off.

Turkey better treat us with respect and common decency.

Es hat immer etwas unfreiwillig Komisches, wenn Barbaren von Respekt und Anstand sprechen.

Erdogan immerhin scheint die Sache rationaler angehen zu wollen und nahm etwas Hitze aus der Auseinandersetzung. Man werde bis auf weiteres keinen militärischen Konvoi nach Gaza schicken. Das hat man in Jerusalem wohl mit Erleichterung vernommen und Premier Netanjahu pflichtete bei, den Streit nicht weiter eskalieren lassen zu wollen.

Lieberman gibt nun vor nichts zu wissen von einem Plan die PKK unterstützen zu wollen.

Fürs Erste scheint die Lage beruhigt. Aber man hat gesehen, wie schnell sich eine Lage entwickeln kann, die zwei Staaten an den Rand eines Kriegs führen. Zwei Staaten, die bis vor kurzem ein enges Verhältnis hatten.

— Schlesinger

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